Freitag, 20. April 2012

Pferdefarm


Von Tasmanien wieder nach Melbourne zurückgekehrt war ich erstmal ein wenig planlos, wie es weitergehen soll. Aber zuerst stand der „Australia Day“ vor der Tür, an dem die Australier ihr Land feiern und so richtig die Sau rauslassen. In ganz Down Under werden die blau-weis-roten Hüte und Shirts aus den Schränken gezogen und sich mit Faschingsschminke vollgeschmiert. In den Großstädten gibt es 3 Tage lange Unterhaltungsprogramme und Entertainment vom Feinsten, sogar meistens 4free. In Melbourne haben Katja, Philipp und ich eine Düsenjetshow, professionelle Holzhacker, Skater auf der Halfpipe, Oldtimerausstellung und vieles mehr zu sehen bekommen. Am Abend gab es ein kostenloses Konzert mitten im Park, bei der die Zuschauer mit Musik aus aller Welt unterhalten, und zum Schluss mit einem rießigen Feuerwerk verabschiedet wurden. Danach haben wir uns auch noch das Halbfinale der Australien Open am Federation Square angeschaut und kräftig für Roger Federerer die Daumen gedrückt…leider hats nix gebracht.
Die Tage darauf hat sich Katja auf den Weg nach Adelaide gemacht und Philipp und ich haben stundenlang in der Libary vor unseren PC gehockt und Gumtree nach Jobs durchgescannt. Irgendwie hatte ich aber keine rechte Lust auf einen normalen Kellnerjob oder so was, sondern wollte etwas ausergewöhnliches wie in einem Roadhouse arbeiten oder auf einer Rinderfarm. Diese Jobs sind leider ziemlich rahr und die wollen immer Leute, die schon Erfahrung haben. Zum Glück bin ich irgendwann auf eine Seite gestoßen, bei der man sich bei Farmen bewerben kann um für Unterkunft und Verpflegung zu arbeiten. Eigentlich keine schlechte Idee - kein Geld ausgeben und ein paar spannende Erfahrungen sammeln. Ein paar Tage später hatte ich auch schon eine Zusage von einer Pferdefarm bekommen, die Hilfe bei der Fürsorge ihres neugeborenen Fohlens benötigen.  Da das Ganze relativ dringend war, konnte ich auch gleich am nächsten Tag antanzen. Zeit wurde es auch, denn inzwischen waren schon wieder eineinhalb Wochen seit Tasmanien vergangen und Philipp war auch schon weggegangen um auf einer Bienenfarm zu schuften.
Mit Sach und Pack bin ich also am nächsten Tag in einem kleinen Dörfchen, 2 Stunden von Melbourne entfernt, aus dem Bus ausgestiegen und wurde dort von Jo abgeholt. Ganz so frisch hat die Liebe damals nicht ausgesehen. Mit verstrubbelten Haaren, Augenringe bis zu den Mundwinkeln und einem rießen Becher schwarzen Kaffee stand sie vor mir und hat die ganze Zeit nur gesagt: „God, I’m soooo glad you’re here…I’m so tired, I didn’t sleep for bloody 48 hours!“ Oh ha, da konnte ich mich ja auf was gefasst machen…
Mitzi und ihre kleine Rose
Das Fohlen, hab ich dann erfahren, war auch nicht mehr als 48 Stunden alt und kam als sogenanntes „dummy foal“ auf die Welt, mit anderen Worten – behindert. Bei seiner Geburt gab es Komplikationen und ihm wurde durch die Nabelschnur zu lange die Luft abgeschnürt. Völlig orientierungslos hat es, kaum die Welt erblickt, um sich geschlagen und musste von Jo stundenlang beruhigt werden. Allerdings nicht ohne etliche blaue Flecken und Schürfwunden beiderseits. Die Behinderung des Fohlens besteht darin, dass irgendwas mit der Balance und Koordination nicht stimmt und es deshalb nicht aufstehen, geschweige denn laufen kann und andauernd den Kopf unkontrolliert hin und her schmeißt. Da bei Pferden, anders wie beim Menschen, das Gehirn bei der Geburt noch nicht vollständig ausgebildet ist, können solche Schäden im Laufe des ersten Monats verschwinden. Allerdings ist dies nicht gewiss und das Fohlen muss in der ersten Zeit 24/7 umsorgt werden. Darin bestand für die nächsten 2 Wochen jetzt meine Aufgabe, d.h. ich musste die kleine Rose, das war ihr Name, alle 2 Stunden mit der Flasche zu füttern…auch nachts! Tja, und was trinkt ein Fohlen für gewöhnlich so? Genau, Milch von der Mutter! Deshalb hieß es alle 2 Stunden erstmal Mitzi, die Mutterstute, vom Paddock rein zu holen und zu melken ;) Hierzu hat Jo aus so einer Rießenspritze, natürlich ohne Nadel, eine Saugkonstruktion gebastelt, das man an die Zitze randrückt und dann zieht man das innere der Spritze raus und durch das Vakuum und den Druck spritzt die Milch in die Spritze rein. Eigentlich hat das die ersten Male recht viel Spaß gemacht, doch wenn man deswegen 3-4 mal mitten in der Nacht aufrumpeln muss, vergeht einem die Freude!
Mein Bett wird belagert
harmlose aber rießige Huntsman

Rose und Ruffy
Da ich keine Lust hatte jedesmal von dem Wohnwagen, den ich extra noch ausgeputzt hatte und der eigentlich mein Schlafquartier sein sollte, bis zum Stall zu latschen, hab ich mich gleich entschieden dort im Heu zu pennen. Naja, ganz so schlimm wars auch nicht, es gab schon eine Matratze, aber die Spinnen überall haben mich anfangs doch ein wenig verunsichert ;) Wenn ich nicht gerade gefüttert oder gemolken habe, habe ich die anderen Pferde mit Futter versorgt und mit Rose Licht- und Klopfteraphien gemacht. Das kingt jetzt vielleicht ein wenig gestört - wars vielleicht auch - aber Jo war der festen Überzeugung, das das was bringt. Dass die Nerven durch Licht und Berührung angeregt werden und dadurch vielleicht irgendwie eine Verbindung zum Hirn entsteht. Da kann ja tatsächlich was dran sein, aber trotzdem bin ich mir ein wenig bescheuert vorgekommen, als ich da vor dem Fohlen gesessen bin und mit einer roten Taschenlampe an den Beinen entlang gefahren bin oder die Gelenke angeklopft habe. Andererseits hatte ich das Gefühl, selbst wenn das alles nichts hilft, dass Rose gerne Gesellschaft hat und sich so sicherer fühlt, da bei ihrer Geburt die Augen so zugeschwollen sind, dass sie nichts mehr sehen kann. Tja so vergingen also meine Tage, nicht besonders erlebnisreich, aber sehr emotional, da Rose immer mal wieder ein paar Fortschritte gemacht hat und dann wieder Rückfälle hatte und dann wieder einen Fortschritt und so weiter und so weiter…
Jo und ich haben zweimal am Tag mit Rose Laufübungen gemacht, aber da sie sich alleine nicht auf den Beinen halten konnte, mussten wir sie immer beide halten und ihre Füße bewegen…irgendwann konnte sie zum Glück selber stehen und mann musste nur schauen, dass sie nicht umkippt. Aber ich sage euch, so ein kleines Fohlen ist vielleicht sauschwer! Wie man vielleicht vorhin schon rausgehört hat ist Jo sehr gut mit alternativen Heilmethoden vertraut und auch wie sie manchmal geredet hat hab ich mir schon gedacht, dass sie eine kleine Esotheriktante ist. Doch als Jason, ihr Mann, für ein paar Tage wegen der nach Neuseeland musste, gings richtig ab. Heilige Scheiße, ich hab gedacht ich bin im falschen Film, da kommt sie mir mit so Sachen wie, dass sie tote Menschen sehen kann, mit Tieren und Pflanzen redet und irgendwelche übernatürlichen Energien spürt. Ich meine, ich bin jetzt nicht gerade der absolute Scheuklappenmesch und die Beziehung die sie zu ihren Tieren hat, finde ich echt beeindruckend, aber alles andere ging eindeutig über meinen Horizont hinaus! Jedenfalls hat Mitzi eines Tages das Interesse an ihrem Baby verloren und immer weniger Milch gegeben, was leider ein sehr schlechtes Zeichen ist. Jo hat beschlossen, dass wir auf Aufzuchtmilch umsteigen müssen und Mitzi in einen anderen Paddock kommt. Damit Rose aber wenigstens ein bisschen tieriesche Unterstützung gekommt kam Mathilda in den Paddock vor den Stall. Mathilda ist ein Donky (Maultier), das anscheinend heilende Kräfte besitzen sollte…ähhhm ja…sie ist echt liebenswert und wahnsinnig aufdringlich, aber „Mathilda – the healer“? Ich weis ja nicht! Eines Tages kam dann eine Freundin von Jo vorbei, die anscheinend auch ein „animal-communicator“ ist und dann war alles aus…also wäre die Situation nicht so traurig gewesen, weil Rose keine Fortschritte mehr gemacht hat, ich wär vor Lachen unterm Tisch gelegen! Die haben da ihre Woodoos durchgezogen und ich stand da und konnte meinen Augen nicht trauen…am Ende haben sie jedenfalls festgestellt, dass Rose eigentlich ein Drache aus einem anderen Universum ist und nur im falschen Körper geboren wurde. Deshalb kann sie übrigens auch nicht laufen, weil sie ja ihre Flügel nicht hat! Jo hat am dem Abend noch beschlossen, Rose einzuschläfern, weil sie sich in dieser Welt nicht wohl fühlt, sie keine Fortschritte mehr macht und die Wunden an ihren Hüften vom ständigen Liegen immer mehr entzünden und sie ihr die Schmerzen ersparen will. Das mit der anderen Welt – meinetwegen, die restlichen Gründe hab ich jedoch sehr wohl eingesehen. Wir haben wirklich alles erdenklich Mögliche getan und uns liebevoll um Rose gekümmert, doch es hätte einfach noch Monate gebraucht, bis sie eventuell von alleine aufstehen und laufen kann und man hätte es nie mit Sicherheit gewusst. Außerdem hätte es unglaublich viel Aufwand und Zeit gekostet, die Jo nicht hat, da sie sich um ihr Unternehmen kümmern muss. Rose ist immernoch „nur“ ein Tier, das einfach stehen muss und das in der freien Natur so und so gleich nach der Geburt gestorben wäre. Ich glaube zwar nicht, dass sie schon große Schmerzen hatte, weil sie eigentlich ein recht aufgedrehtes, neugieriges kleines Ding war, aber die Wunden an ihrer Hüfte haben langsam zum Eitern angefangen und sind arg angeschwollen.
Am nächsten Tag kam also der Tierarzt und hat ihr die erlösende Spritze gegeben. Das ging auch echt ziemlich schnell und hat sehr friedlich ausgesehen…trotzdem habe ich ein paar Tränchen verdrückt, da man nach zwei Wochen, die man ununterbrochen mit dem Tier verbringt ja doch eine gewisse Beziehung herstellt, vor allem weil sie so eine Süße war ;) Ein paar Stunden später kam dann ein Baggerfahrer und hat ein großes Loch auf einer Weide gebuddelt, wo wir Rose begraben konnten...R. I. P. Rose <3



An dem Tag ist dann auch schon der neue Helfer angekommen, weil ich in zwei Tagen wieder weiter wollte. Sein Name war Andreas und er kam aus Italien, allerdings kann er viel besser Deutsch als Italienisch, da er aus Südtirol ist. Ich hab ihm erklärt, wie er die Pferde zu füttern hat und wir haben zusammen den Stall wieder aufgeräumt. Am Abend haben wir noch einen Walk über das Gelände gemacht, wo mir erstmals aufgefallen ist, wie groß das Gebiet überhaupt ist…drei Stunden waren wir unterwegs und wir befanden uns immernoch auf dem selben Grundstück. Die ganze Zeit kamen uns Pferde entgegen und haben und ein Stück lang begleitet. Die Landschaft ist wunderschön dort, sehr hügelig und bewaldet. Am Tag darauf haben wir noch im Haus ein bisschen klarschiff gemacht und dann gings für mich auch schon wieder nach Melbourne…zum dritten Mal! Ich war ehrlich gesagt sehr froh, dass die zwei Wochen vorbei waren, denn jetzt hatte ICH verstrubbelte Haare, Augenringe bis zum Mundwinkel und brauchte ganz ganz viel Kaffee! Die Arbeit war auch nicht besonders abwechslungsreich und es wurde definitiv Zeit für was Neues. Abschließend würde ich sagen, dass die zwei Wochen auf der Pferdefarm, den Umständen entsprechend, nicht unbedingt zu meinen Favourites zählen…ein Happy End wäre natürlich schöner gewesen! Aber es war dennoch eine Erfahrung, ich habe interessante Menschen kennengelernt und habe, auch wenn sie ein wenig verrückt gewesen sind, was von ihnen lernen können.

Was mich in meiner australischen „Heimat“ Melbourne erwartet hört ihr das nächste Mal!

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